Am Wochenende bemerkte ich geschwollene Lymphknoten an der linken Halshälfte, da ich wegen anderen Dingen eh zum Arzt wollte, habe ich ihm gleich davon mit berichtet. Nach Blutabnahme und Ultraschall empfahl er mir schnellstmöglich mich am selben Tag bei einem Onkologen vorzustellen. Dieser nahm noch einmal Blut und gestern stand ein CT auf dem Plan. Ergebnis erfahre ich morgen leider erst. Von harmloser Entzündung bis bösartigem Lymphdrüsenkrebs (Morbus Hodgkin) ist momentan alles möglich. Das Warten auf morgen und die Angst nagt an mir..*Daumen drücken*
21. August 2012
4 Tage ist es jetzt her – Eine Diagnose die dein Leben verändert, eine Diagnose die dich zum Verzweifeln bringt – Krebs.
Aufbruch oder Endstation? Mein Körper ist gezeichnet von Unsicherheit und Angst, was ist jetzt richtig und was ist falsch. Jetzt beginnt ein wilder Diagnosematathon…
01. September 2012
Der Diagnosemarathon ist abgeschlossen – Röntgen, Herzultraschall, Lungentest, PET-CT und Knochenmarktpunktion liegen hinter mir. Die Befunde sind noch nicht komplett da, also warten…In der Zwischenzeit wurde auch der Port gelegt und eingesetzt.
Knochenmarkpunktion ist eine recht unangenehme Sache. Dort wird dir unter örtlicher Betäubung eine dicke Nadel hinten ins Becken gestochen und dann schön am Knochen etwas abgeschabt…naja..kam mir vor wie bei den Neandertalern….ich meine hey, wir schicken Fahrzeuge zum Mars, aber Knochenmark wird so martialisch entnommen. Naja…man hält es aus und es zwickt noch einen Tag lang, aber es ist doch recht unangenehm.
Apropro unangenehm ist auch die Port-OP, dort wird man zwar auch örtlich betäubt, aber man merkt schon deutlich wie dort jemand mit seinen Fingern in dir rumwurschtelt, besonders das Suche nach der Zielvene, ist mehr ein graben und zur Seite schieben und das “aushölen” der Tasche ist auch etwas unangenehm. Naja, beim Vernähen der Wunde ließ dann schon etwas die Betäubung nach, aber ich hielt es durch….nach 2 Tage konnte man dann auch wieder den Arm frei bewegen, das war nach der OP nur noch eingeschränkt möglich, aber das ist wohl normal.

06. September 2012
Information von heute aus dem Krankenhaus: Knochenmark ist nicht befallen und sauber, nach vielen Tiefschlägen mal wieder ein gute Nachricht. Nächste Woche geht’s dann los mit der Chemo-Keule, bis dahin soll ich mich noch etwas schonen und Kräfte mobilisieren, um dann fit die Chemo anzugehen.
07. September 2012
Es ist ja nun definitiv und sicher – Morbus Hodgkin – Krebs. Vielen geht es besser wenn der Geist der dich schwächt, bekannt ist. Mir leider nicht…
Die Zeit wo ich allein bin, ist schlimm. Alle Arbeiten oder in der Schule – ich allein zu Hause, der Kopf brummt von den vielen Fragen die dort rumgeistern. Warum ich ? Hab ich genug Kraft das durchzustehen? Wie viele Jahre bekomme ich durch die Therapie? Welche Schäden richtet die Bestrahlung an?
Fragen, so viele, aber keine passenden Antworten…
11. September 2012
Morgen geht es wieder ins Krankenhaus, am Telefon halten sich die Ärzte etwas bedeckt, für wie lange. Es kommt vermutlich darauf an, wie mein Körper die Chemiebombe verträgt. Irgendwie hat das ganze morgen wieder etwas von “ab ins Gefängnis..!”. Der letze Tag in Freiheit und ständig die Gedanken, was heute noch tun, was du morgen nicht mehr kannst. Was heute noch essen, was du morgen nicht mehr hast.
Versuche mich etwas geistig abzulenken, aber die Gedanken sind schon beim morgigen Tag und den fehlenden Informationen und Plänen.
13. September 2012
Gestern ging es ins Krankenhaus, Eingangsuntersuchung und Blutabnehmen – mittlerweile ein Kinderspiel. Mehr Informationen kamen da leider nicht, außer das der Arzt von einer milden Therapie und einem frühen Stadium sprach. Etwas mehr Informationen wären für die Verunsicherung schön gewesen.
Heute soll es dann losgehen, die Chemokeule wird geschwungen, mir geht so richtig die Muffe und nach dem langen Vorgeplänkel der letzten Wochen ist man nun wohl angekommen. Bin jetzt auf einem Einzelzimmer, auf der einen Seite schön, auf der anderen Seite klaustropohobisch einsam. Die Haare hatte ich mir gestern früh noch abrasiert, da ich die psychologische Depression vom Haarausfall auch nicht noch belastend dazu haben wollte.
Behandelt wird nach Studie HD16 der GHSG, das heißt im Stadium IIa gibt es 2 Zyklen ABVD also insgesamt 4x Chemo im Abstand von 15 Tagen. Das ist somit die kleinste Chemotherapie die aktuell möglich ist.
14. September 2012
Am Freitag um 13.00 Uhr war es dann soweit, der Moment vor dem ich die letzten Tage den meisten Schiss hatte. Die erste Dosis Chemo stand an.
Wie werde ich das vertragen, wie wird mein Körper reagieren? In der Aufregung als die Schwester mit den Infusionsständer kam, musste ich erst einmal noch mal auf Toilette. War mir ja nicht sicher, ob ich danach noch aus dem Bett raus komme und ich wollte nicht auf so ein Bettschieber machen.
Zur erst gab es eine prophylaktische Infusion mit einigen Schutzstoffen für die Nieren und die Übelkeit, die Flasche wurde an den Port angeschlossen und ich merkte davon gar nichts. Die Flasche lief in 15 Minuten leer. Danach gab es das rote Adriamycin, das war auch nicht viel und lief auch sehr zügig durch. Das Bleomycin und das Vinblastin gab es als Spritze und war in 2 Minuten drin, was man gar nicht spürte. Am längsten lief das lichtempfindliche Dacarbazin, was gute 2 Stunden dann lief.
Von der ganzen Infusion merkte ich gar nichts und konnte in der ganzen Zeit mit meinem Bettnachbarn und meinem Besuch schon wieder rumscherzen.
Der einzige Nachteil, so schnell wie das Zeug reinläuft, will es auch wieder raus. Ich stelle gestern meinen persönlichen Pipi-Rekord mit 12 mal auf, weil der Onkologe sagte, man soll ca. 2 – 3 Liter nachtrinken, das der Körper gut durchgespült wird und sich nichts in den Nieren festsetzt.
Mittag und Abendbrot blieb drin und ich musste mich nicht übergeben.
Einziger Nachteil der Infusion, das Zeug macht müde und beim Abendbrot konnte ich die Augen nur noch mit Mühe und Zwang offen halten um dann gegen 19.00 Uhr einzuschlafen.
Das ich aber mit den Krankenhaus-Betten auf Kriegsfüßen stehe, war ich dann aber 24.00 Uhr wieder wach und konnte dann nicht weiterschlafen.
Alles im anderen habe ich mir alles viel schlimmer ausgemalt, vielleicht liegt es auch daran, das ich zum Anfang des Jahres Burn-Out hatte und dort gelernt hatte, wie viel ein Körper ertragen und aushalten kann. Stand heute war, das es mir an einigen tiefen Burn-Out-Tagen schlimmer ging.

15. September 2012
Die schönste Nachricht des Tages um 10.00 Uhr: Da ich bis auf Müdigkeit und Kopfschmerzen keine Probleme hatte und das Blutbild auch okay war, durfte ich heute nach Hause. Taxi gerufen und ab in die Heimat.
2 Wochen Ruhe von allem. Der nächste Chemotermin ist erst am 28.09.2012 und dann habe ich auch schon 50% geschluckt und Halbzeit.
Weil ich diese Infusion so problemlos vertragen habe, bekomme ich den Rest jetzt ambulant. Das heißt früh rein und abends wieder nach Hause.
Wichtig ist jetzt nur kein Fieber, keine Infektion zu bekommen und 2 mal die Woche zur Blutprobe zum Hausarzt. Aber Blut habe ich die letzten Wochen gefühlt 100 mal abgegeben, das macht mir nichts mehr aus. Wenn die Blutwerte absacken, hat der Hausarzt Handlungsfreiheit und kann mit Medikamenten gegenwirken.
Nur wenn er es damit nicht in Griff kriegt, gibt es Bluttransfusionen oder wenn unerklärliches Fieber kommt oder ich mir eine Infektion einfange, dann darf ich wieder ab in die Klinik.
Da ich dieses Jahr aber schon genug gebeutelt bin, möge dieser Kelch an mir vorbeigehen und einfach mal 2 Wochen nicht an Krebs und Krankenhaus denken.

17. September 2012
Tag 3 nach der ersten Chemo…die letzten Tage und auch heute fühlte ich mehr sehr müde und abgeschlagen. Ich schlafe über den Tag verteilt bestimmt 12 bis 14 Stunden. Heute früh musste ich mich kurz zum Blutwerte prüfen zum Hausarzt aufraffen und war ‘ne halbe Stunde spazieren. Mehr geht gerade nicht. Ich hoffe das sind nur die ersten Tage direkt nach dem Chemo und im Laufe der Woche stellt sich wieder Normalität ein.
Hatte ich den ersten Tag nach der Chemo noch eine richtige Fressattacke, muss ich mich mittlerweile zum Essen zwingen, da ich mich etwas appetitlos fühle, aber beim liegen und zum schlafen braucht man ja nicht viel Energie.
18. September 2012
Seit einigen Wochen schon dieses von ganz tief unten wieder hoch kämpfen….auf die Dauer zermürbt es und man fragt sich, aus wie vielen Tiefs man immer wieder aufstehen kann, um sich wieder seinem Normalpegel nur halbwegs anzunähern, dieses schmerzfreie wie ein normaler Mensch leben.
Es ist wie auf dem Bild zu sehen…man läuft einen steilen Berg hoch und hofft jedes mal, das die Kraft reicht, die Spitze zu erklimmen.
Die positiven Aspekte…heute eine Stunde an der Luft gewesen, Essen geht wieder etwas besser und Blutwerte von gestern waren alle noch okay. Ansonsten alles wie gehabt, Kopfweh, müde und schlapp!
